Freitag, 27. Januar 2012

Weinen und Schreien


Weinen und Schreien ist in den ersten Lebensmonaten die überwiegende Kommunikation des sehr kleinen Kindes.

Und jeder Mensch, der ein Herz in der Brust trägt, fühlt sich von den Hilferufen des Babys tief berührt und möchte es so schnell wie möglich trösten.
Gott sei Dank wurde uns diese Empathie mit auf den Weg gegeben, denn dank ihrer ist es uns möglich, die Bedürfnisse des Baby auch dann noch zu erfüllen, wenn wir übermüdet oder mit anderen wichtigen Dingen beschäftigt sind.
Das Baby geht vor und das ist auch richtig so.

In den letzten Jahren fallen mir aber immer mehr, völlig überforderte Mütter auf, die ununterbrochen ein Baby auf dem Arm tragen. Bei jeder Tätigkeit, Tag und Nacht, ob das Geschwisterkind gerade Bedürfnisse hat oder nicht, ja sogar auf dem Klo sitzen sie und halten ihr Baby. Das Kind schläft nur auf dem Arm und wenn man versucht es schlafend ins Bettchen zu legen, wacht es binnen weniger Minuten wieder auf und - schreit!

Doch ist auch wirklich jedes Babyschreien ein Hilferuf?
Ich unterscheide hier gerne zwischen weinen und schreien.
In den ersten Wochen ist für den Säugling alles neu: Gefühle wie Hunger, Einsamkeit, ein nasser Popo, zu warm, zu kalt, zu hell,  laute Geräusche, alles fühlt sich für das Kind nach einem Grund für einen Hilferuf, nach einem Grund zum Weinen an.
Und selbstverständlich  muss ihm geholfen werden, muss es getröstet werden. Kinder die in diesem frühen Stadium erfahren müssen: auch wenn ich noch so sehr weine, es kümmert sich niemand um mich, erleiden seelische Schäden, die sie ihr ganzes Leben begleiten werden.
Es ist also von Nöten, sicherzustellen, dass seine Bedürfnisse erkannt werden.
Hier müssen allerdings der gesunde Menschenverstand und die Intuition der Mütter (Väter) die wichtigste Rolle spielen.
Schreit also ein Baby ist zu bedenken: kann es Hunger haben (Wirklich? Obwohl es erst vor 15 Minuten gestillt wurde?)? Hat es eine frische Windel? Liegt es bequem in seinem Bettchen (nicht zu warm, nicht zu kalt, keine direkte Sonneneinstrahlung...)? Ist es gesund? (Im Zweifel immer den Kinderarzt fragen!). Hatte es vor kurzem liebevollen Kontakt und spürt es, dass es nicht allein ist? (ein Baby spürt unsere Anwesenheit sehr wohl, auch wenn wir es nicht aus dem Bettchen heben. Ein liebes Wort, ein leises Lied...). Wenn all diese Punkte positiv beantwortet werden können, kann das Baby auch einmal ein paar Minuten warten, z. B. wenn das Geschwisterchen nun an der Reihe ist, liebevoll gepflegt, gekleidet oder gefüttert zu werden.

Auch der Säugling kann noch andere Gründe haben, um sich lautstark Luft zu machen:
- Es gibt Babys, die vor dem Einschlafen "Spannungen abschreien": nach z. T. exzessivem Gebrüll schlafen nach ca. 10 Minuten ein, um nach einem ausgiebigen Schläfchen erfrischt und fröhlich aufzuwachen.
- Es gibt Babys mit einer sehr niedrigen Tolleranzschwelle: die "ärgern" sich darüber, dass ihr Körper noch nicht so funktioniert, wie sie es brauchen würden, oder darüber, dass sie warten sollen, oder darüber, dass die Vögel singen (o.k. ich übertreibe, aber Ihr wisst was ich meine).
- Es gibt Babys, da kommt man einfach nicht dahinter, was ihnen missfällt...

Ein Baby kann man nicht verwöhnen, aber man kann es gewöhnen. Im positiven wie im negativen Sinne.
Ein Baby braucht Zuwendung und Liebe - im Übermaß! Davon bin ich überzeugt und nie würde ich zu etwas anderem raten.
Doch ein Baby kann sich daran gewöhnen (wie gesagt: die Grundbedürfnisse sind gestillt!!!) zu warten, wenn Mama den großen Bruder pflegt, oder kurz selbst duschen geht, oder die Spülmaschine ausräumt...

Ein Baby kann sich aber ebenfalls daran gewöhnen, sofort hochgenommen zu werden, wenn es ein Geräusch macht, nur auf dem Arm eines Elternteils zu schlafen, oder nur wenn es im Maxicosi mit dem Auto um den Block gefahren wird, oder nur, wenn es von Mama bei der Hausarbeit im Tragetuch auf dem Rücken getragen wird, obwohl es mittlerweile 13 Kilo wiegt, oder nur, wenn Papa ihm den Po föhnt, oder nur wenn Mama und Papa gemeinsam rechts und links neben ihm liegen und es ihre Nasen festhalten darf oder nur wenn Mama so lange im Kinderzimmer sitzt und "LaLeLu" singt bis Papa in eine andere Wohnung gezogen ist...
Das sind übrigens alles wahre Paxisbeispiele von mir und Kollegen.
Was ich damit sagen will:
Tut Euch, aber vor allem dem Kind, dass unter jeder Veränderung (auch schlechter) Gewohnheiten leiden wird, den großen Gefallen: gewöhnt es nur an Rituale und Abläufe, die Ihr auch noch in 6 Monaten, in 18 Monaten, in.... Monaten noch leisten wollt und könnt.
Damit alle in der Familie Freude am Baby haben und das Baby Freude an seiner Familie hat.

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